Dienstag, 1. Mai 2012

"entkriminalisierung nichtkommerzieller vervielfältigung"

neulich musste ich während einer längeren autofahrt ein radiointerview mit einem piraten zum thema "geistiges eigentum" anhören. "so ein spinner", dachte ich und wechselte den sender. als dann in den nachrichten ein anderer pirat zum thema (dem einzigen der piraten, wie es scheint) stellung bezog, war die verwunderung wieder groß. und heute habe ich zum ersten mal das "programm" der piraten zu diesen thema (es gibt dann offenbar doch mehr themen) gelesen. meine güte! das kann man so nicht unkommentiert stehen lassen:

Der uralte Traum, alles Wissen und alle Kultur der Menschheit zusammenzutragen, zu speichern und heute und in der Zukunft verfügbar zu machen, ist durch die rasante technische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte in greifbare Nähe gerückt. Wie jede bahnbrechende Neuerung erfasst diese vielfältige Lebensbereiche und führt zu tief greifenden Veränderungen. Es ist unser Ziel, die Chancen dieser Situation zu nutzen und vor möglichen Gefahren zu warnen. Die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich des Urheberrechts beschränken jedoch das Potential der aktuellen Entwicklung, da sie auf einem veralteten Verständnis von so genanntem "geistigem Eigentum" basieren, welches der angestrebten Wissens- oder Informationsgesellschaft entgegen steht. Keine Beschränkung der Kopierbarkeit

der uralte traum? wie alt isser denn genau, dieser traum? und von wem kommt er? die katholische kirche hat ihn jedenfalls nie geträumt, höchsten als albtraum. in amerika haben die conquistadores alles wissen und kultur der maya vernichtet, wissenschaftler endeten auf dem scheiterhaufen. so wie es auch heute noch geschieht, überall dort, wo religion nicht auf die privatsphäre reduziert wurde. so alt ist dieser traum also nicht. aber das nur nebenbei. das "so genannte" geistige eigentum hingegen wird nur bei den piraten "so genannt" genannt, es ist schliesslich ein ausführlich definierter rechtsbegriff in fast allen regionen der welt. aber die piraten wischen das einfach weg, widewidewie es ihnen gefällt. das gilt natürlich auch für das "veraltete verständnis", denn was alt ist, das bestimmt die partei. wer ein "veraltetes verstädnis" hat, der hat eigentlich gar keins oder wenigstens doch ein minderwertiges. also gar nicht beachten, denn wir wissen es besser und "die anderern" sind zu doof das zu erkennen. warum erinnert mich das an verschwörungstheoretiker?

Systeme, welche auf einer technischen Ebene die Vervielfältigung von Werken be- oder verhindern ("Kopierschutz", "DRM", usw.), verknappen künstlich deren Verfügbarkeit, um aus einem freien Gut ein wirtschaftliches zu machen. Die Schaffung von künstlichem Mangel aus rein wirtschaftlichen Interessen erscheint uns unmoralisch, daher lehnen wir diese Verfahren ab.

erstens ist ein werk kein "freies gut". wie kommen die darauf? der aus der ökonomie stammende fachbegriff ist hier wohl nicht gemeint. oder hänge ich einem "veraltetem verständnis" von ökonomie an? oder haben die autoren einfach keinen plan und null bildung? jedenfalls ist ein "werk" - ob geistig oder materiell - kein freies gut. basta! interessant ist die verwendung der "künstlichen verknappung". ah, erstes semester, das "klassische wertparadoxon" (wasser & diamanten und so). nur leider ist das hier völlig deplatziert, das ist so unsinnig, dass es mir fast widerstrebt, darauf einzugehen, aber was solls. ein kopierschutz wird NICHT, ich wiederhole: NICHT eingesetzt, um eine "verknappung" des "gutes" hervorzurufen. einen kopierschutz gibt es, damit sich solche nassauergestalten wie die piraten nicht kostenlos daran bereichern. denn spass an einem lied oder freude beim betrachten eines bildes bereichert die menschen. wer das kostenlos, bzw. auf kosten des erschaffers tut, der sollte nicht von "moral" reden. das ist lächerlich! dieser floh von der "künstlichen verknappung", den findet man im internet zuhauf, in allen lebenslagen, von den unterschiedlichsten leuten, die aber alle eines gemein haben: sie sind spinner und verschwörungstheoretiker, die nur im internet publizieren können, weil niemand geld für ihren mist ausgeben würde, womit der büchermarkt wegfällt (und nein, es liegt nicht an der verschwörung des systemmedien, auf wenn das aus sicht dieser autoren durchaus plausibel klingen mag). künstliche verknappung durch kopierschutz, meine güte!

Darüber hinaus behindern sie auf vielfältige Art und Weise die berechtigte Nutzung von Werken, erschaffen eine vollkommen inakzeptable Kontrollierbarkeit und oft auch Überwachbarkeit der Nutzer und gefährden die Nutzung von Werken durch kommende Generationen, denen der Zugang zu den heutigen Abspielsystemen fehlen könnte.

berechtigte nutzung? was wollt ihr mir sagen, piraten? dass ihr ein recht darauf habt, anderer leute eigentum ungefragt und unbezahlt zu nutzen? und das so en passant? ich finde, das sollte besser erklärt werden. hier steht es einfach als tatsache im raum, ohne die geringste rechtfertigung. wie dem auch sei, die angst, spätere generationen könnten epochale werke nicht kennenlernen, weil die böse kunstindustrie werke verknappt und der menschheit vorenthält, ist - gelinde gesagt - abwegig. und dass dann auch noch die technik versagt, naja, so ganz will mir das nicht einleuchten.

Zusätzlich stehen die gesamtwirtschaftlichen Kosten für die Etablierung einer lückenlosen und dauerhaft sicheren Kopierschutzinfrastruktur im Vergleich zu ihrem gesamtwirtschaftlichen Nutzen in einem extremen Missverhältnis. Die indirekten Folgekosten durch erschwerte Interoperabilität bei Abspielsystemen und Software erhöhen diese Kosten weiter.

dieses "extreme missverhältnis" könnte man doch etwas erläutern, oder? denn wenn kopierschutz mehr kosten würde, als die werke einbringen, würde es wohl kein rechteinhaber (allzu lange) machen. ich weiss also nicht, was die damit meinen, vermutlich wissen die es selber nicht, aber als altes milchmädchen lasse ich es mirt gerne mal "gesamtwirtschaftlich" vorrechnen.

Da sich die Kopierbarkeit von digital vorliegenden Werken technisch nicht sinnvoll einschränken lässt und die flächendeckende Durchsetzbarkeit von Verboten im privaten Lebensbereich als gescheitert betrachtet werden muss, sollten die Chancen der allgemeinen Verfügbarkeit von Werken erkannt und genutzt werden. Wir sind der Überzeugung, dass die nichtkommerzielle Vervielfältigung und Nutzung von Werken als natürlich betrachtet werden sollte und die Interessen der meisten Urheber entgegen anders lautender Behauptungen von bestimmten Interessengruppen nicht negativ tangiert. Es konnte in der Vergangenheit kein solcher Zusammenhang schlüssig belegt werden. In der Tat existiert eine Vielzahl von innovativen Geschäftskonzepten, welche die freie Verfügbarkeit bewusst zu ihrem Vorteil nutzen und Urheber unabhängiger von bestehenden Marktstrukturen machen können.

erst gegen den kopierschutz als "bruch der menschenrechte" anflennen und dann behaupten, die vervielfältigung liesse sich eh nicht einschränken. ja was denn jetzt? "allgemeine verfügbarkeit von werken"? schon wieder. diese piraten sollten sich lieber marsianer nennen, denn die leben auf einem anderen planeten. vervielfältigung als "natürlich" betrachten? also mehr als nur ein menschenrecht, ein naturrecht gewissermassen. und diese vervielfältigung fremden eigentums tangiert den urheber also rein überhaupt nicht, denn was "interessensgruppen" (ah, lobbyisten, pöse panker, das raffende kapital usw.) sagen, spielt keine rolle, denn das ist alles unsinn, bzw rein aus profitgier motiviert. wobei die piratenpartei natürlich keine "interessensgruppe" ist, die piraten, das sind "wir", das klingt auch viel besser. wenn ich dem musiker also die kohle unter der matratze wegklaue, tangiert den das natürlich nicht, schon klar. künstler sind (oder sollten sein) eben keine materialisten, sonst wären sie nicht künstler geworden. es konnte also kein zusammenhang schlüsig belegt werden? die betonung liegt auf "schlüssig". selbst wenn es also doch einen zusammenhang gibt, dann ist er eben "nicht schlüssig". dazu muss man sich nur dumm stellen, wenn man es nciht ohnehin schon ist. aber welcher zusammenhang ist eigentlich gemeint? dass die kostenlose vervielfältigung des eigentums anderer diese etwa doch "tangiert". das wär ja'n ding!

(...)

Wir sehen es als unsere Verantwortung, die Schaffung von Werken, insbesondere im Hinblick auf kulturelle Vielfalt, zu fördern. Positive Effekte der von uns geforderten Änderungen sollen im vollen Umfang genutzt werden können. Mögliche, aber nicht zu erwartende negative Nebenwirkungen müssen bei deren Auftreten nach Möglichkeit abgemindert werden.

nur damit ich es verstehe: wenn ein künstler keine kunst mehr machen kann, weil er kein geld damit verdienen kann, weil "kreativfreie" nerds alles kopieren und klauen wollen, und dieser künstler am ende auf dem bau oder im taxi landet, weil er geld verdienen MUSS (hier bitte noch ein bischen systemkritik einsetzen!) dann kratzt man sich am kopf und wundert sich, dass es keine kunstwerke mehr gibt? und wie will man diese völlig unerwartete und höchstUNwahrscheinliche negative auswirkung "abmildern", nein "abmindern" steht da? in dem der staat dann den künstler ernährt, wenn er doch nur endlich wieder kunst produzieren würde (natürlich nicht kritische, denn bezahlt werden nur staatstreue künstler). oder doch zurück zur guten alten zeit, als künstler noch von ihrer kunst leben konnten, weil menschen gerne für den genuss des kunstwerkes bezahlt hatten. dann könnten wir es aber auch gleich so lassen, oder?

Wir erkennen die Persönlichkeitsrechte der Urheber an ihrem Werk in vollem Umfang an. Die heutige Regelung der Verwertungsrechte wird einem fairen Ausgleich zwischen den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Urheber und dem öffentlichen Interesse an Zugang zu Wissen und Kultur jedoch nicht gerecht. Im Allgemeinen wird für die Schaffung eines Werkes in erheblichem Maße auf den öffentlichen Schatz an Schöpfungen zurückgegriffen. Die Rückführung von Werken in den öffentlichen Raum ist daher nicht nur berechtigt, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit der menschlichen Schöpfungsfähigkeiten von essentieller Wichtigkeit.

das ist falsch. das ist die typische nerdsicht. alle kunst ist nur die kopie älterer kunst. eine sichtweise, die viel mehr über den vermeintlich denkenden aussagt, als ihm vermutlich lieb ist. es gibt so etwas wie kreativität. dies zu verneinen lässt wenigstens auf neid schliessen, was ja immerhin eine gewisse anerkennung ist. abgesehen davon wird jedes werk, ob nun vom erschaffer kostenlos oder gegen bezahlung, "in den öffentlichen raum 'zurück'geführt". mein gott, soviele anführungszeichen kann ich gar nicht setzen, wie nötig wären). es bleibt dabei: der einzige, der berechtigt ist, sein werk der öffentlichkeit zugute kommenzulassen, ist der erschaffer. sonst hiesse es ja: ich schreibe ein gedicht, finde es schlecht, darf es aber nicht wegschmeissen, sondern MUSS es in die öffentlichkeit bringen. sonst? tja, da wäre jetzt die frage zu klären: wie bestraft man eigentlich künstler, die ihr werk (ob nun aus qualitätsgründen oder blanker boshaftigkeit, egal) der öffentlichkeit vorenthalten? als asoziale sau an den virtuellen pranger mit ihm!

Es sind daher Rahmenbedingungen zu schaffen, welche eine faire Rückführung in den öffentlichen Raum ermöglichen. Dies schließt insbesondere eine drastische Verkürzung der Dauer von Rechtsansprüchen auf urheberrechtliche Werke unter die im TRIPS-Abkommen vorgegebenen Fristen ein.

und wie sollen diese rahmenbedingungen aussehen, das wär doch mal interessant...