Mittwoch, 30. September 2009

das entsolidarisierungsgespenst trägt gelb

Immerhin, die schauerliche Angstkampagne des Linksblocks hat nicht verfangen. Ich halte das für die wichtigste Erkenntnis dieser Wahl.

"Schwarz-Gelb verhindern", dargestellt als gleichfarbiges Atomfass, lautete die Parole. "Sozialer Kahlschlag" sei insbesondere von den sinistren Markt-, Neo- und Radikalliberalen zu erwarten (die Bezeichnung "liberal" ohne abschreckendes Präfix gibt es schon lange nicht mehr, oder höchstens mit einer nachfolgenden Brutalisierung eigentlich profaner Begriffe, hier: liberaler Wirtschaftsrigorismus). Auch die Presse schlug in diese Kerbe, und tut es immer noch ("Der Wirtschaftrigorismus der Krisengewinnler").

Das führt sich fort, zum Beispiel in sozialen Netzen, wo man nicht wenig böse Kommentare bekommt, wenn man im Kontrast zum schwarzgelben Atomfass der Biene Merkel und Westerwilli gratuliert. Nein, die Atomlobby-Marionetten und "Verursacher der Krise", die asozialen Neokapitalisten sind der Untergang ein jeder sozialen Errungenschaft, für die unsere Vorväter ihr Blut gelassen haben.

Aber am End hat es dann doch nicht verfangen. Und so bleibt nur ein Gewerkschaftsführer, der die Liberalen am liebsten "sofort unter die Dusche" stellen wollte...

Und was macht Westerwelle? Der verwirrt Freund und Feind und spricht von "Deutschland" und "dem ganzen Volk".

Als er vor die frenetisch jubelnden Anhänger seiner Partei trat, rief er aus: „Jetzt geht die Arbeit erst richtig los, für Deutschland und für unser ganzes Volk!“ Und auch in der Fernseh-Elefantenrunde ließ er mehrmals das „Volk“ in die konventionelle Rede von den „Bürgerinnen und Bürgern“ und „Wählerinnen und Wählern“ hineinfahren wie ein kleines Donnergrollen, das Großes ankündigt.

grandioser gastbeitrag

vince ebert bei achgut.de:

Ein Hoch auf den Kapitalismus

Zwei Bekannte von mir haben beide ihr Studium mit Auszeichnung gemacht. Der eine, nette, war ein philosophisch interessierter Visionär mit einem tiefen Gerechtigkeitssinn. Der andere war schon in der Schule ein oberflächlicher Materialist, der unbedingt Karriere machen wollte. Nach dem Studium schließt sich der Idealist Greenpeace an, kettet sich an einen Mammutbaum, zerstört Genmaisfelder und hält Walfangboote mit dem Schlauchboot auf. Der Yuppie hingegen wird Investmentbanker, verkauft faule Derivate und kassiert 500.000 Euro pro Jahr. Versteuern tut er nur 300.000 – den Rest hinterzieht er.

Die Ironie an der Geschichte ist: Während der intellektuelle Weltverbesserer einen Baum gerettet hat, der drei Monate später gerodet wurde, und außerdem ein paar Bauern und Walfängern gehörig auf den Geist gegangen ist, hat das Arschloch im Designeranzug der Gesellschaft 150.000 Euro Steuern für Schulen, Straßen und Kultureinrichtungen eingebracht. Von den unterschlagenen 200.000 Euro kauft er Autos, Schmuck und teueres Essen, bezahlt seine Putzfrau, seinen Golflehrer und seinen Koksdealer. Der engagierte Gerechtigkeitsfanatiker kostet nur, der entfesselte Turbokapitalist gibt – ohne dass er das will – der Gesellschaft etwas zurück.

Das ist das Raffinierte am Kapitalismus. Man muss kein guter Mensch sein, um sich moralisch gut zu verhalten. Denn Kapitalismus dient nicht einem höheren Zweck. Er ist das einzige Wirtschaftssystem, das keine Ideologie darstellt. Wahrscheinlich ist er deswegen so unbeliebt.

Auch die friedensstiftende Funktion des Kapitalismus wird selten erwähnt. Wer miteinander Handel treibt, wird fast zwangsläufig kriegsmüde. Weil bei jedem Blutbad die Umsätze leiden. Keine zwei Staaten, in deren Hauptstadt eine MacDonalds-Filiale steht, haben jemals Krieg gegeneinander geführt. Wahrscheinlich unterscheiden die Amerikaner genau so zwischen Gegner und Verbündeten. Von wegen „Achse des Bösen“. Die einzig relevante Frage für eine feindliche oder friedliche Mission lautet: Gibt es dort Big Macs?

Jedem profitorientierten Unternehmer ist es egal, welcher Nationalität, Religion oder Rasse die Kunden angehören. Hauptsache, man kommt ins Geschäft. Tatsächlich waren Kaufleute schon immer die ersten, die zwischen unterschiedlichen Völkern vermittelt haben. Kapitalismus macht die Menschen friedlicher. Einzige Ausnahme: Die erbitterten Kämpfe an der Wühltheke beim Sommerschlussverkauf.

Auch die Vorstellung, dass Konzerne die Menschen arm halten, um sie besser ausbeuten zu können, ist falsch. Für Prada, Gucci oder Armani ist es eine wirtschaftliche Katastrophe, dass die Menschen in Bangladesh ihre T-Shirts aus Altkleidersammlungen beziehen müssen und nicht aus klimatisierten Designershops. Vor 100 Jahren hob Henry Ford zähneknirschend das Lohnniveau seiner Arbeiter an, weil er erkennen musste, dass sich nur so die Leute seine Autos leisten konnten.

Auch ich dachte lange Zeit, Kapitalisten sind allesamt rücksichtlose, kaltherzige Menschen. Mit 17 lud mich ein Schulkollege zu seinem Geburtstag ein. Sein Vater war Unternehmer und er wohnte mit seiner Familie in einer ziemlich beeindruckenden Villa. Ich betrat leicht angewidert die Eingangshalle, die so aussah, als ob jetzt gleich J.R. die Treppen herunterkam und Dinge sagte wie: „Sue Ellen trinkt wieder...“
Zu meiner Überraschung betrat ein zurückhaltender, älterer Herr den Raum, der sich im Laufe des Abends als weitaus sozialer, nachdenklicher und verantwortungsbewusster entpuppte, als alle meine Bekannten, die solche Menschen als „Kapitalistenschweine“ beschimpften. Nach diesem Abend beschloss auch ich, ein Kapitalist zu werden.

Dienstag, 29. September 2009

Dieses Buch gehört in die Schulen, nicht ins Feuilleton

ein schöner verriss...

Die Geschichte aber, die Martin Kesici und Markus Grimm erzählen, klingt etwas anders, und für all jene, die sich flüchtig an diese Namen erinnern können, ist das nicht einmal besonders überraschend: 2003 gewann Kesici als weichgespülter Hardrocker die Sat.1-Castingshow „Starsearch“, ein Jahr später wurde Grimm in die Gruppe Nu Pagadi gewählt, die sich Pro Sieben für die vierte Staffel der Sendung „Popstars“ ausgedacht hatte, eine groteske Dark-Rock-Band, die die Felle von Dschingis Khan auftragen musste. Dass ihr Sieg eher das Ende einer kurzen Fernsehkarriere markierte als den Anfang einer erfolgreichen Laufbahn als Musiker, das war schon damals für die meisten Zuschauer erwartbar. Rein musikalisch war es sogar durchaus beruhigend – was es nicht leichter macht, Mitleid zu mobilisieren für das traurige Schicksal, von dem die beiden nun in ihrem Buch „Sex, Drugs & Castingshows“ erzählen.

(...)

Man könnte sich also sehr leicht darüber lustig machen, dass es die beiden Autoren überhaupt für einen Skandal halten, dass die Produzenten und die Plattenfirmen die Versprechen nicht eingehalten haben, welche sie ihnen leichtfertig abgenommen hatten; dass ihre Hoffnung auf Ruhm und Erfolg sich nicht erfüllte oder einfach nur der Wunsch auf eine faire Behandlung. Der Blick auf diese Naivität aber ist eine Offenbarung. Wenn es nicht einmal die Kandidaten, die am tiefsten gefallen sind, weil sie am höchsten standen, bis heute geschafft haben, sich vollständig von ihren Illusionen zu verabschieden; wenn selbst die Gewinner einer solchen Show zu deren Verlierern zählen – dann zeigt das, dass Häme und Ironie auch nicht viel helfen gegen die Nachhaltigkeit der Faszination, die eine mittlerweile zur Jugendkultur gewordene Ausbeutungsindustrie ungebrochen ausübt. So wenig Stoff dieses Buch bietet, dem grundsätzlich skandalösen Genre sein verbrecherisches Wesen konkret nachzuweisen, so sehr muss man es all jenen nahebringen, die noch immer glauben, das Fernsehen könne ihnen einen Traum erfüllen. Dieses Buch gehört in die Schulen, nicht ins Feuilleton.

(...)

Man merkt ja kaum noch, wie ungeheuerlich schon der Gestus ist, mit dem das Buch daherkommt: Der Klappentext bemüht das komplette Vokabular jener Insiderberichte, die man sonst von Sektenaussteigern oder abtrünnigen Geheimdienstlern kennt.

Man muss nicht unnötig die siebziger Jahre heraufbeschwören, aber es hilft, sich nur einmal kurz vorzustellen, wie kurios es gewirkt hätte, wenn damals ein Gewinner von „Am laufenden Band“ „ausgepackt“ hätte oder ein Kandidat von „Was bin ich“.

(...)

Die Mitglieder von Nu Pagadi wehrten sich erfolgreich gegen ein Stück, das sich die Plattenfirma ausgedacht hatte, „eine Mischung aus Abba und Rammstein“ mit dem erbaulichen Titel „Wer ficken will, muss freundlich sein“. Und der modisch beratungsresistente Kesici verschenkte die Bühnenoutfits, die er tragen sollte, lieber an seine Freunde.

Dass das Buch doch ein paar Passagen bereithält, die auch abgebrühtere Medienkritiker noch erregen können, liegt vor allem daran, dass die unappetitliche Zusammenarbeit der Sender mit der Boulevardpresse noch reibungsloser funktioniert, als man es befürchtet hatte: Da weiß auf einmal ein Reporter der „Bild“-Zeitung von der Drogenvergangenheit, die Kesici kurz vorher der Produktionsleitung gebeichtet hatte. Da holt, eines Abends, während der Dreharbeiten zu „Star Search“, eine Limousine Kesici und seinen Halbfinalgegner Thomas Wohlfahrt vor dem Hotel ab, drinnen warten Champagner, ein Kamerateam des Sat.1-Boulevardmagazins „Blitz“ und ein Fotograf der „Bild“-Zeitung. Man habe, erklärt der Fernsehredakteur, einen „Entspannungsabend“ vorbereitet, und weil der Kollege von „Bild“ bis zum Ende mitfeiert, finden die beiden am nächsten Tag ihre Gesichter neben den Hintern diverser Nackttänzerinnen auf der Titelseite wieder, unter der freundlichen Zeile „Hasch-Martin und Sexferkel Thomas unterwegs“. Teilnehmende Beobachtung heißt das in der Ethnologie.
Wurde bei “Bild“ zu “Hasch-Martin“: Martin Kesici

(...)

Grimm ist eindeutig die tragischere Figur. Seine Enttäuschung mündet gelegentlich in existentielle Selbstzweifel: „Manchmal denke ich“, schreibt er, „dass ich ein Avatar bin, eine Spielfigur der Sims, die ungeliebte Puppe aus der Augsburger Puppenkiste, die man an den eigenen Fäden erhängt hat.“ Und er wünscht sich, alles wäre nicht passiert: „Keine TV-Typen, die mich vom Nobody zum No-Nobody machten, keine Kälte und Arroganz von all denen, die es geschafft haben und mich belächeln, keine Zweifel an mir selbst, keine Angst vor dem Morgen, der schon gestern vorbei war.“

eine wahlanalyse

die fdp hat gewonnen!

...und eine glorreiche zukunft vor sich.

denn die ausgangslage ist besser denn je. durch die sozialdemokratisierung der cdu laufen wirtschaftsliberale massenweise zur fdp über. das sind keineswegs taktische "leihstimmen" von cdu-anhängern. die gabs es damals nur, als die fdp an der 5% hürde herumkrebste. das sind dauerhafte stimmen und anhänger, überzeugte marktwirtschaftler einerseits und bürgerrechtler andererseits, die mit schäuble ein problem haben.

dazu kommen die spd-rechten, die sich in einer von linken dominierten spd nicht wiederfinden können. dieser trend wird sich nach der wahlniederlage und der personellen neuausrichtung in der spd noch verstärken.

denn die sozialdemokraten werden nun einen harten linkskurs fahren müssen, um die verlorenen schäfchen links der schröderagenda "abzuholen". damit geben sie die mitte endgültig preis, wo sich die cdu mit dem merkelismus bereits breit gemacht hat.

kurzum: die spd verschwindet im linken nebel, die cdu macht sich mit sozialen versprechen in der mitte breit und alle, die da bei cdu und spd übrig bleiben, wandern zur fdp ab.

und deshalb sind die liberalen die klaren gewinner dieser wahl.

Dienstag, 22. September 2009

punzieren

wieder ein neues wort gelernt.

es bedeutet so viel wie: "mit einer form stanzen". man nutzt für diese alte handwerkskunst -> punzen, in allen größen und formen, und hämmert damit allerlei muster in leder, kupfer und was sonst so alles gepunzt werden kann.

im übertragenen sinn ist das fein gewählt vom interviewer.

derStandard.at: Warum wird Kritik am Islam von vielen Linken reflexartig als "rechts" punziert?

Seyran Ates: Das ist das absolute Totschlagargument und hat inzwischen einen langen Bart. Da sind die Grünen so scheinheilig. Bei den Grünen herrscht eine unglaubliche Pseudo-Angst, die Rechten mit diesem Thema zu bedienen. Anstatt sich mit dem Thema auseinander zu setzen und es den Rechten wegzunehmen, hält man lieber den Mund.

Montag, 7. September 2009

arbeiterführer rüttgers

bei der suche nach vergleichender rumänen-schelte bin ich doch immer wieder auf diesen unsäglichen prollpopulisten gestossen.

kinder statt inder is gestern, aber dass de rümääne faul, arbeitsscheu und unpünktlich is, das hadder in schon in stalingrad gezeigt. döff-däää!

mal ehrlich, der rüttgers dreht hohl, der muss aus berlin eingefangen werden, stöhnen seine leute in nrw.

dabei macht rüttgers nur das, für was er bezahlt wird: den menschen aufs maul schauen und das gehörte dann in prägnante formeln zusammenfassen. der pfui-filter sorgt dafür, dass worte wie inder, pakis, polen, juden und rumänen ungehört bleiben. nur manchmal scheint der filter defekt, dann reimt rüttgers kinder auf inder. privat hat er sicher auch schon gedacht: kein herz für rinder (is auch inderfeindlich, heilige kühe, und so... haha, aber den joke versteht dann aufm marktplatz wieder keine sau).

das einzige, was ihn sympatisch macht, ist, dass er den gewerkschaften das cdu feindbild wegnimmt, bzw dafür sorgt, dass es durch die fdp ersetzt werden muss (wobei die liberalen für eine angstkampagne denkbar ungeeignet sind, denn wer fürchtet sich schon vor westerwelle und co?).

das wird noch interessant, der kampf gegen den "neoliberalismus", gegen die "neoliberalen", die mit dem zylinder aufm kopp, mit der zigarre im mund, den schwülstigen lippen und der krummen nase. ostküste, spekulanten, plutokraten!

unter die dusche gestellt 2

was der huber hier bei 1:20 ff so vom stapel lässt, ist schon arg grenzwertig und wurde hier schon mal thematisiert.

die liberalen "gehören sofort unter die dusche gestellt", und dabei ist die assoziation mit "an die wand gestellt" nur die harmlosere variante. weil bei "duschen", naja, da ergibt sich noch eine ganz andere assoziation, wie man sie gelegentlich bei fans in der dritten liga hören kann: "schiri nach auschwitz, unter die dusche!"

da kann der huber von glück reden, dass er nicht bei der cdu ist, sonst wäre seine karriere schnell zu ende...

Sonntag, 6. September 2009

endlich mal ein guter artikel zu der boni debatte.

Volkes Stimme ist eindeutig: Schon 2007 hielten mehr als achtzig Prozent der Deutschen die hohen Verdienste von Managern für ungerecht. Heute sprechen sich mehr als 88 Prozent für die Radikallösung aus: Sie befürworten eine generelle Obergrenze für Manager-Gehälter. 81 Prozent sind zudem fest davon überzeugt, dass die Banken weitermachen wie bisher und nichts aus der Krise gelernt haben. 88 Prozent glauben, dass die kleinen Leute die Krise am Ende ausbaden, während die da oben längst wieder ihren Platz an der Sonne gefunden haben.

Samstag, 5. September 2009

unter die dusche

der igmetall chef im waldstadion vor 60000 metallern:

"denn wer, wie die fdp, den sozialstaat zerstören will, gehört sofort unter die dusche gestellt."

was natürlich ein versprecher ist, denn gemeint war "...an die wand..."

zum glück hat er einen aufmerksamen redenschreiber, der huber.