Samstag, 16. August 2008

hessische zeitschleife

Mit Neid blickt man in die angelsächsischen Länder: Zwischen Wahltag und der Ankunft der Möbelwagen am Amtssitz vergehen in London wenige Stunden, in den Vereinigten Staaten wenige Wochen. In Hessen wurde von der SPD nun ein Zeitplan verkündet, der eigentlich beiden Teilen des Begriffs Hohn spricht: Wir basteln uns eine Zeitschleife, vielleicht! – wäre die bessere Überschrift gewesen. Im November, fast ein Jahr nach der Wahl, soll die SPD die Möglichkeit einer Skizze des Entwurfs einer parlamentarischen Mehrheit erörtern. Für diese lange Zeit sind aber nicht neue Umstände oder Erkenntnisse verantwortlich. Keine Einschätzung und keine Information wird bis dahin vorliegen, die nicht schon im November 2007 verfügbar gewesen wäre.

Es ist einfach ein verlorenes Jahr in einem Flächenstaat, der dringend eine aktive und gutgelaunte Regierung braucht. Wer etwa aus dem ebenfalls von den Christdemokraten regierten Nordrhein-Westfalen nach Hessen zieht, wird die Diskrepanz im Hinblick auf Ganztagsschulangebote oder den Zustand des öffentlichen Nahverkehrs kaum fassen können. Wie in einem ideologischen Reservat werden in Hessen allerdings noch die Schlachten des vergangenen, wenn nicht des vorvergangenen Jahrhunderts geschlagen. Atomkraft und Flughafenausbau erregen die Gemüter, gestandene Konservative warnen vor dem Aufstieg der Nachwuchskraft Daniel Cohn-Bendit. Jeden Tag rechne ich mit der Bewerbung Joschka Fischers um ein Landtagsmandat. Im Landtagswahlkampf wurde sogar der Slogan „Freiheit statt Sozialismus“ plakatiert, aber nicht von einem historischen Museum, sondern von der FDP.

Warum Andrea Ypsilanti auf die Chance verzichtet, vier Jahre lang als Sozial- oder Bildungsministerin einer Großen Koalition ihre Kompetenz unter Beweis zu stellen, wird ewig ihr Rätsel bleiben. Regine Hildebrandt war auch nur Ministerin in Brandenburg und wurde bekannter als der dortige Regierungschef. Stattdessen will Ypsilanti warten, bis die von ihr einst ausgeschlossene Koalition steht, und das kann, wegen ihrer eigenen fleißigen Bemühungen während des Wahlkampfs, länger dauern als einer braucht, um darauf zu kommen, wer gerade in Hessen regiert. Bis dahin lebt und arbeitet Andrea Ypsilanti in den Medien, wir aber genießen die Anarchie. So gehen die Wochen ins Land

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